„Schmachtlappen“,
Eierpfannkuchen und Strafpredigten
Das ist die Fastenzeit
NORDKIRCHEN. „Jeder fünfte Deutsche macht beim Fasten mit“,
das meldete die Zeitschrift „Stern“: Nach einer repräsentativen Umfrage
wollen 20 Prozent der Deutschen in der Zeit zwischen Aschermittwoch und
Ostern auf bestimmte Nahrungs- und Genussmittel, wie etwa auf Fleisch,
Süßigkeiten, Alkohol oder Zigaretten verzichten.
Während
das Fasten heute eher als spirituelle Erfahrung die eigene Persönlichkeit
bereichern soll, war das Fasten früher als Kirchengebot nicht freiwillig.
Es war eine streng vorgeschriebene Bußübung, der jeder Katholik nachkommen
musste, wollte er nicht abseits der Gemeinschaft stehen und sein Seelenheil
aufs Spiel setzen.
Heute
sind nur noch die 40 Tage vor Ostern als Fastentage bekannt. Noch im 19.
Jahrhundert zählte das katholische Kirchenjahr fast 150 solcher Tage: neben
den vierzig Tagen von Aschermittwoch bis Karsamstag auch die vierzig Tage
vor Weihnachten. Da die Sonntage bei den Fastenzeiten ausgenommen sind,
begann die weihnachtliche Fastenzeit mit dem 11. November.
Diese
zahlreichen Fasttage konnte sich natürlich kaum jemand merken. Damit sie
nicht vergessen wurden, war es eine wichtige Aufgabe für den Pfarrer, den
Gläubigen einzuschärfen, ob und wann Fastengebote zu beachten sind.
Es
waren nicht allein der Zwangscharakter und die ungleich größere Zahl der
Fasttage, die das Fasten früherer Zeiten von dem Fasten heute unterscheideten, sondern auch die Art und Weise, wie
gefastet werden musste. Es gab zwar seit dem ausgehenden Mittelalter immer
wieder Änderungen, doch die Grundregel blieb bestehen: Es durfte kein
Fleisch von vierfüßigen Tieren und Vögeln gegessen werden und lange Zeit
waren auch Produkte dieser Tiere wie Eier, Milch, Käse, Butter und
tierisches Fett verboten. Außerdem gab es Tage, an denen die Zahl der
täglichen Mahlzeiten reduziert war.
Diese
Nahrungsbeschränkungen versuchten einige Gläubige zu kompensieren. Bekannt
sind Schlemmereien bei Fischmahlzeiten und dem Starkbier. Das war nur bei
einer kleinen vermögenden Oberschicht so, in der
Regel dürfte es wesentlich karger zugegangen sein. Ein typischer
Fleischersatz war lange Zeit die Feige, erst gegen Ende des 18.
Jahrhunderts kamen Eier und Milchprodukte auf den Tisch, das machte eine
einigermaßen ausgeglichene Ernährung möglich: Eierpfannkuchen wurden in
großen Mengen verzehrt und liefen den Feigen als Fleischersatz den Rang ab.
In
vielen Kirchen hing ab Aschermittwoch das so genannte Fastenvelum, ein
großes, besticktes Tuch, zwischen den Gläubigen und dem Altar. Es wurde als
das Zeichen der Fastenzeit angesehen und westfälisch derb „Smachtlappen“ (Hungertuch) genannt.
Das
Hungertuch wurde erst am Mittwoch der Karwoche abgenommen. An diesem Tag
wurde die Lukaspassion verkündet: „Der Vorhang des Tempels riss
mittendurch“ (Lk 23,45), ließ der Küster den „Smachtlappen“ zu Boden fallen. Für das Kirchenvolk wird
es ein erhebender Moment gewesen sein. Der freie Blick auf den Altar
signalisierte: Bald hat das Darben ein Ende!
|